Die ersten Christen betrachteten zuerst das Seelenleiden Christi

Quelle: Distrikt Österreich

Das Ereignis, von dem der Heilige Evangelist Johannes im 8. Kapitel berichtet, spielt beim Laubhüttenfest, also ein halbes Jahr vor dem Tod Christi. Zu diesem Zeitpunkt türmen sich die Wogen des Hasses schon sehr hoch auf. Der Tod Jesu ist beschlossene Sache. Wie ein Rudel heißhungriger Wölfe umgeben die Pharisäer den Herrn, Der wie ein unschuldiges Lamm in ihrer Mitte steht.

Das Evangelium gibt einen Teil dieser Unterhaltung Jesu mit den Pharisäern wieder. Der Inhalt derselben ist nicht leicht zu verstehen. Zuerst deckt Jesus ihre Mordpläne auf und klagt sie an, dass sie nicht Gott, sondern den Teufel zum Vater haben. Wie der Teufel Vater der Lüge und Menschenmörder ist, so verbreiten auch sie die Lüge und ihre Absicht ist es, Menschen zu morden.

Ich bin ohne Sünde

Er selbst hingegeben präsentiert sich als der Verkünder der Wahrheit und als Lebensbringer. Er stellt den Seinen diese provokante Frage: „Wer von euch kann mich einer Sünde beschuldigen?“ Das hat bis dahin kein anderer vernünftiger Mensch so direkt und bestimmt formuliert. Wer diese Frage stellt, muss entweder ein überirdisches Wesen oder ein Narr sein. Ein Mittelding gibt es nicht!

Jesus erhebt den Anspruch der Sündenlosigkeit und noch mehr, Er erklärt, dass Er kurz davor steht, die Sünden der Welt zu tilgen. Damit spricht Er die lautere Wahrheit. Dazu ist Er in die Welt gekommen, um die Wahrheit zu verkünden. Doch nicht alle wollen die Wahrheit hören. Jesu Anspruch selbst wahrhaftig zu sein, scheidet die Menschen in zwei Gruppen. Die einen stammen von Gott und sie sind Kinder Gottes. Die anderen stammen vom Teufel und sind seine Sklaven. Nur die erste Gruppe hört das Wort Gottes, nimmt es auf und wird gerechtfertigt. Die andere ist nicht in der Lage das Wort Gottes zu hören und kann ihm darum nicht folgen. Die Menschen in dieser Gruppe werden verloren gehen.

Prüft euch selbst

Jeder Mensch muss selbst prüfen und beurteilen, ob er von Gott oder vom Teufel stammt. Jesus nennt das entscheidende Kriterium: „Wer aus Gott ist, hört auf Gottes Wort. Darum hörst du nicht darauf, weil du nicht aus Gott bist“. Es ist ein wichtiges Wort: wo der Mensch das Wort Gottes gerne hört, kann er sich sagen, ich stamme von Gott. Wo er es aber geringschätzt, und verachtet, dem Wort nicht glaubt, wo dieses Wort den Menschen kalt lässt oder ärgert, da muss er sich selbst sagen: ich stamme nicht von Gott.

Der Heilige Papst Leo der Große schenkt uns tiefen Einblick in die Bedeutung der Worte Christi: „Jeder von euch soll sich selbst erforschen und sich aufrecht die Frage stellen, ob er die Stimme Gottes wirklich in seinem Herz aufgenommen hat und ob er aus Gott ist und Seine Stimme kennt. Es sind nämlich manche, die mit ihrem fleischlichen Ohr das Wort Gottes hören, die aber kein Verlangen haben, es zu bewahren.  Und es sind andere, die gerne die Worte Gottes aufnehmen und die durch die Worte Gottes zu Tränen gerührt werden, die aber dann, nach den Tränenstunden, wieder zur Ungerechtigkeit zurückkehren. Diese haben, solange sie das Wort Gottes nicht in die Tat umsetzen, es nicht wirklich vernommen. Wenn ihr zu diesen gehört, lasst dann euer Leben vor eurem geistigen Auge passieren und fürchtet das Wort Gottes: ‚Ihr habt das Wort nicht gehört, weil ihr nicht aus Gott seid.‘“

Beschuldigung anstelle der Einsicht

Wie reagieren die Pharisäer auf Christi Wort? Wenn man im Streit das Gegenüber nicht überzeugen oder widerlegen kann, dann verlegt man sich oft auf das Schimpfen und die Anklage. Die Pharisäer nennen Jesus einen Samariter, das heißt einen Volksfeind und einen Besessenen.

Ich schenke euch das Leben

Jesus geht noch einen Schritt weiter: „Wenn jemand meine Worte hält, wird er den Tod nicht schauen in Ewigkeit.“ Wiederum ein großes Wort, ein Wort das kein Mensch bis dahin in den Mund genommen hat. „Ihr werdet den Tod nicht schauen“ heißt so viel, wie im Gnadenstand feststehen. Jesus spricht also die wesentliche Bedingung der Gotteskindschaft aus. Sein Wort, Seine Lehre muss man halten.

Herr über das Leben

Aber das Wort „Tod nicht schauen“ löst erneut den Widerspruch der Pharisäer aus. Alle sind gestorben, die größten unseres Volkes, Abraham, die Propheten sind gestorben und Du maßt Dir an, ewig zu leben? Bist du etwa größer als unser Vater Abraham und die Propheten?“ Jesus spricht eine sehr deutliche Sprache, aber die Umstehenden wollen ihn nicht verstehen. Gemäß dem Volksglauben, dass man mit fünfzig Jahren Abraham sehen wird, sagen sie: „Du bist noch nicht 50 Jahre alt und hast Abraham gesehen?“

Da spricht Jesus das dritte majestätische Wort: „Wahrlich, wahrlich ich sage euch, ehe Abraham ward, bin ich!“ Jesus sagt: Abraham ist ein Geschöpf. Er war einmal nicht, wurde geschaffen und lebte, am Ende starb er. Ich aber bin der ewige, wesensgleiche Gottessohn, der nicht geworden ist, der immer war und der immer sein wird. Bei mir gibt es keine Vergangenheit, sondern ausschließlich immerwährende Gegenwart. Die Pharisäer verstehen, dass Jesus sich göttliche Eigenschaften zuspricht. Sie halten das für eine Gotteslästerung und schicken sich an, Jesus zu steinigen. Aber die Zeit Seines Todes war noch nicht gekommen, darum verbirgt er sich und verlässt den Tempel.

Seelenleiden

Diese Episode aus dem 8. Kapitel des Johannesevangeliums steht in einer Reihe anderer Stellen, die immer umfassender das Verhältnis Jesu zu Seinem Volk schildern. Sie zeigen, wie sich der Hass gegen Ihn immer weiter steigert und geben uns Einblick in das seelische Leiden Jesu Christi.

Brücke zur Messe

Wir können von diesem Evangelium eine Brücke schlagen zur Feier der Heiligen Messe. Christus bringt uns als Frucht Seines Leidens Wahrheit und Leben. Beide werden uns in der Messe zuteil.

Die Wahrheit in der Vormesse, das Leben in der Opfermesse. Wenn wir in der Vormesse die Worte Gottes mit Ehrfurcht aufnehmen und sie bewahren, sie also zur Richtschnur unseres Lebens machen, dann erhalten wir die innere Erkenntnis, dass wir aus Gott stammen. Noch mehr aber empfangen wir vom Heiligen Messopfer das Leben.

Im Opfergang, bringen wir unsere Hingabe zum Ausdruck und nehmen wir die Bedingung zum ewigen Leben an: Sein Wort zu halten. Fast mit den gleichen Worten des Evangeliums singen wir im Offertorium des Passionssonntags: „Ich preise Dich, o Herr, aus meinem ganzen Herzen. Gib Deinem Knecht die Gnade, dass ich Leben habe und Deine Worte halte. Belebe mich nach Deinem Wort, o Herr! Und in der Kommunion empfangen wir die Lebensfrucht aus dem Tode Christi.